Lehrende: Dr. Andreas Bedenbender
Veranstaltungsart:
Seminar
Orga-Einheit: Theologie ev.
Anzeige im Stundenplan:
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Min. | Max. Teilnehmerzahl:
- | -
Literatur:
Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus (EKK 1), 4 Teilbände, Neukirchen-Vluyn 1985–2002.
Konradt, M., Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1), Göttingen 2015.
Eine konkordante Übersetzung des Matthäusevangeliums wird zu Beginn der Veranstaltung zur Verfügung gestellt.
Kommentar:
Das wohl älteste der kanonischen Evangelien, das »Evangelium nach Markus«, ist ein höchst eigenartiger Text. Seine erste Hälfte schildert, wie Jesus von Nazareth in Galiläa die frohe Botschaft von der Nähe des Gottesreiches verkündet und die Menschen mit allen Sinnen erfahren läßt, was diese Nähe bedeutet. Dann aber kommt die Wende. Sehenden Auges und willentlich schlägt Jesus einen Weg ein, der ihn ans Kreuz führt; seine Anhänger laufen in Panik auseinander. Als wäre dies nicht schon rätselhaft genug, ist der Text voll von sperrigen Einzelheiten: Wir hören von einem Jesus, den seine Angehörigen für wahnsinnig halten (vgl. 3,21) und über den sich seine Jünger lustig machen (vgl. 5,21). Umgekehrt beschwert sich Jesus über die Verstocktheit seiner Jünger (vgl. 8,17) oder reagiert sarkastisch auf sie (vgl. 4,10–13; der Sachverhalt wird in den deutschen Übersetzungen zumeist kaschiert).
Wer kann denn mit dieser Art von Jesusgeschichte etwas anfangen, wer soll sich davon überzeugen oder im Glauben bestärken lassen? Das fragten sich, zehn oder fünfzehn Jahre nach Markus, zwei Personen, die wir als »Matthäus« und »Lukas« kennen. Beide waren von der Grundidee des Markus – das Evangelium als Passionsgeschichte zu erzählen – fasziniert, beide waren darüber, wie diese Idee im Mk-Ev durchgeführt wurde, schockiert. Darum legten sie zwei Alternativentwürfe vor: Texte, die das Markusevangelium nicht einfach nur um schöne Geschichten und um wichtige Worte Jesu ergänzen sollten, sondern die dazu gedacht waren, es zu ersetzen und vom Markt zu verdrängen. Mit ihrem Unternehmen hatten Matthäus und Lukas nur teilweise Erfolg. Seit 19 Jahrhunderten sind die von ihnen präsentierten Texte viel populärer als das Markusevangelium, aber doch steht dieses nun gemeinsam mit ihnen im Kanon des Neuen Testaments.
In dem Seminar wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, woran genau speziell Matthäus Anstoß nahm, als er das Markusevangelium las, und welcher Logik sein eigener Gegenentwurf folgt. U.a. geht es um die Erinnerung an den Jüdischen Krieg, um die Tora und die Stellung zu den Heiden sowie um das Verhältnis zwischen Jesus und den Jüngern. Ziel ist es, die Gegensätzlichkeit der beiden ersten Evangelien zum einen wahrzunehmen und zum anderen fruchtbar zu machen: Was läßt sich damit anfangen, daß Matthäus und Markus einander in zentralen Fragen widersprechen? Unter welchen Umständen hilft eher Matthäus weiter – und unter welchen dann doch vielleicht Markus?
In der Veranstaltung soll ein Wechselspiel aus vorgegebenen Impulsen und freier Diskussion eingeübt werden, das sich in vielen Bereichen späterer praktischer Arbeit (z.B. Bibelkreise; Religionsunterricht) erfahrungsgemäß als hilfreich erweist.
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