L.086.40140 Philosophie und die Religionen über Sexualität

Veranstaltungsdetails

Lehrende: Ana Paula Coelho Rodrigues; Dr. Tuba Isik; Dr. Anne Weber

Veranstaltungsart: Blockveranstaltung

Orga-Einheit: Theologie kath.

Anzeige im Stundenplan:

Semesterwochenstunden: 2

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 20

Literatur:
Wird bekannt gegeben.

Kommentar:
In der Rahmen der Workshopreihe „Philosophie und…“ von In der Philosophie zu Hause findet im SoSe 2018 zum ersten Mal in Kooperation mit dem ZeKK (Zentrum für komparative Theologie und Kultur) und dem SIT (Seminar für Islamische Theologie) ein Trialog statt. Zum Thema „Sexualität“ schließen sich Tuba Isik und Anne Weber Ana Rodrigues an und bieten in einem dreitägigen Workshop in der Lesewoche der Fakultät KW einen Einblick in die Diskussion dieses Themas aus der jeweiligen Fachperspektive an.
Der erste Workshoptag widmet sich der philosophischen Auseinandersetzung mit der Sexualität. Unter der Leitung von Ana Rodrigues bearbeiten und diskutieren die TeilnehmerInnen Texte zu Konzepten, Normen und Politik der Sexualität aus philosophischer Perspektive.
Die Philosophie befasst sich seit ihren Anfängen mit dem Thema der menschlichen Sexualität, metaphysische und ethische Überlegungen finden sich in vielen klassischen Texten der Philosophie seit Platon und Aristoteles. Die Kirchenväter Augustinus und Thomas von Aquin thematisieren die geschlechtliche Liebe ebenso wie der Aufklärungsphilosoph La Mettrie oder Kant. Außer bei dem Aufklärer La Mettrie findet man in der Geschichte der Philosophie allerdings nur wenige ausgearbeitete Abhandlungen zu diesem Thema. Erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts entwickelte sich zunächst im Kontext der analytischen Philosophie als auch der feministischen Philosophie ein eigenständiger Forschungsbereich zur Philosophie der Sexualität. Sowohl die 1977 von Alan Soble gegründete Society for Philosophy of Sex and Love als auch die feministische Zeitschrift Hypatia beförderten zahlreiche Publikationen.
Der zweite Workshoptag widmet sich der Betrachtung des Themas der Sexualität aus der Perspektive des Islam. Unter der Leitung von Tuba Isik werden sowohl die historische Bedeutung von Sexualität in der islamischen Kultur als auch eminente gegenwärtige Diskussionen des Themas untersucht.
In der islamischen Philosophie sind Abhandlungen über Sexualität wohl kaum bekannt. Die frühen muslimischen Universalgelehrten wie Avicenna und Farabi, stellten in ihren medizinischen Werken aus dieser Perspektive Überlegungen an. Allerdings werden Themen diesbezüglich im Mittelalter in den Textgattungen der Dichtung und Erzählung behandelt. Im Laufe der Modernisierung von islamisch geprägten Ländern gewann die Reglementierung von Sex immer mehr an Gewicht und wurde zu einem Instrumentarium für Macht war, um das Sexualverhalten der Gesellschaft kontrollieren zu können. In gegenwärtigen Texten im Kontext von Gender und Islamic Studies ist Sexualität im Islam und ihre Ausprägungen wieder ein Gegenstand von wissenschaftlicher Forschung geworden.
Anne Weber wird am dritten Workshoptag nicht nur das (vor)belastete Verhältnis von Christentum und Sexualität rekonstruieren, sondern vor diesem Hintergrund auch an die Aktualität der Frage einer befreiten und befreienden Sexualität erinnern:
So ist nicht erst mit den Missbrauchs-Fällen, die spätestens seit den 2000 Jahren das öffentliche Vertrauen in die Katholische Kirche nachhaltig erschüttert haben, das spannungsreiche Verhältnis von christlichen Institutionen und menschlicher Sexualität sichtbar geworden lassen. Die in zahlreichen Enzykliken und Rechtstexten primär generative Akzentuierung menschlicher Sexualität, d.h. der Zwecksetzung einer auf Nachkommen angelegten Sexualität und deren Bindung an die Ehe als moralisch legitimem Vollzugsort, war bereits lange vorher als Herausforderung wahrgenommen worden. Neben der latenten Verkürzung des Eros ist in jüngerer Zeit zudem besonders auch die damit einhergehende Funktionalisierung des weiblichen Körpers und dessen immer noch auf das „Charisma“ der Mutterschaft angelegtes Verständnis von feministischen TheologInnen kritisiert worden. Und zurecht – der Verdacht, dass diese Vorstellungen von Sexualität letztlich doch weniger Spiegel des befreienden Zusagewort Gottes zu seiner Schöpfung sind, denn Funktionen patriarchaler Herrschaftslogiken, zumindest aber naturalistisch-essentlialistischer Anthropologien, ist nicht unbegründet.
Besonders dort, wo Menschen nach einem befreiten und befreienden Umgang mit Sexualität fragen, scheinen die Vorstellungen katholisch-christlicher Sexualmoral keine vertrauenswürdigen Orientierungen bieten zu können. Umgekehrt lässt sich im Horizont sozialpathologischer Gegenwartsanalysen unter dem Eindruck von Sinnverlust und Entfremdungserfahrungen ebenso fragen, ob die gegenwärtig begegnenden Praktiken tatsächlich Ausdruck einer befreiten Sexualität sind. Von Dating-Apps über Single- und Fetischbörsen, bis Pornographie oder Prostitution begegnen Formen gelebter Sexualität, die sich unter Stichworten wie Kommodifizierung, kulturindustrieller Verblendung oder Verobjektivierung problematisieren lassen.
Sicherlich kann es nicht darum gehen die kritischen Anfragen und Bedenken gegenüber der vertretenen Menschen- und Sexualitätsvorstellungen des katholischen Lehramts unbekümmert zu wiederholen und im Fahrtwasser neokonservativer Theologien in Stellung bringen zu wollen. Der wissenschaftliche Blick auf die Quellen christlicher Anthropologie und alternative Zugänge zu Leiblichkeit und Sexualität, wie sie besonders in den der christlichen Mystik als Traditionsgut zu finden sind, kann vielleicht dabei helfen den Blick zu schärfen für die befreiende Kraft der Liebe und damit auch als explizit theologische Reflexion weiterführende Fragen stellen.
Im Dialog mit Philosophie und islamischer Theologie und unterm dem Anspruch wissenschaftlicher Analyse will dieser Workshop nicht nur helfen, die Frage nach einem nicht-infantilen, d.h. emanzipatorisch anspruchsvollem und befreiten Umgang mit Sexualität noch einmal neu zu stellen und ihre Notwendigkeit als Teil eines verantworteten Selbstvollzugs zu erinnern. Als verstehensorientierter Diskurs kann er zudem ein positives Zeichen setzen gegen die zunehmende Vereinnahmung öffentlicher Diskurse als Bühnen subjektiver Meinungsprofilierung setzen.

Wichtige Hinweise:
Veranstaltungstermine:
Mo, 23.4. 13-16 Uhr
Di, 22.5. 9-18 Uhr
Mi, 23.5. 9-18 Uhr
Do, 24.5. 9-18 Uhr

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende
1 Mo, 23. Apr. 2018 13:00 16:00 L 2 202 Ana Paula Coelho Rodrigues; Dr. Tuba Isik; Dr. Anne Weber
2 Di, 22. Mai 2018 09:00 18:00 C 3 212 Ana Paula Coelho Rodrigues; Dr. Tuba Isik; Dr. Anne Weber
3 Mi, 23. Mai 2018 09:00 18:00 C 3 222 Ana Paula Coelho Rodrigues; Dr. Tuba Isik; Dr. Anne Weber
4 Do, 24. Mai 2018 09:00 18:00 C 3 212 Ana Paula Coelho Rodrigues; Dr. Tuba Isik; Dr. Anne Weber
Enthalten in Modulen
Modul
M.053.3042 A1A - Nichtchristliche Religionen/ Dialog der Religionen :: TDR-ZFB v2 (WS 2016/17)
M.053.3042A A1 - Nichtchristliche Religionen/ Dialog der Religionen :: TDR-ZFB v2 (WS 2011/12)
M.053.3044 A1B - Nichtislamische Religionen/Dialog der Religionen :: TDR-ZFB v2 (WS 2016/17)
M.053.3052 A2 - Religion, Ethik und Theologie der Religionen :: TDR-ZFB v2 (WS 2016/17)
M.053.3052A A2 - Religion, Ethik und Theologie der Religionen :: TDR-ZFB v2 (WS 2011/12)
M.053.3062 A3 - Hermeneutik gegenwärtiger Religionskulturen :: TDR-ZFB v2 (WS 2016/17)
M.053.3062A A3 - Hermeneutik gegenwärtiger Religionskulturen :: TDR-ZFB v2 (WS 2011/12)
M.053.3120 M2 - Theologien im Dialog mit den anderen Kulturwissenschaften :: ZFM-TID v1 (WS 2014/15)
M.086.8030 BM3 - Systematische Theologie :: BA-GyGe/BK (WS 2016/17)
M.086.8030A BM3 - Systematische Theologie :: BA-GyGe/BK (SS 2012)
M.086.8230 BM3 - Systematische Theologie :: BA-HRGe (WS 2016/17)
M.086.8230A BM3 - Systematische Theologie :: BA-HRGe (SS 2012)
M.086.8320 BM2 - Systematische und Historische Theologie Grundschule :: BA-G/SP (WS 2016/17)
M.086.8320A BM2 - Systematische und Historische Theologie Grundschule :: BA-G (SS 2012)
Übersicht der Kurstermine
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
Lehrende
Dr. Anne Weber
Ana Paula Coelho Rodrigues
Dr. Tuba Isik