L.052.21080 Die Organisation der (Un)moral. Soziologische Perspektiven auf die organisationalen Bedingungen von Loyalität, Gehorsam, Widerstand und Verantwortung

Lehrende: Julia M.A. Gruhlich

Veranstaltungsart: Seminar

Orga-Einheit: Erziehungswissenschaft

Anzeige im Stundenplan:

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 40

Literatur:
Foucault, Michel (1994): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Goffman, Erving (1973) Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Kühl, Stefan (2014): Ganz normale Organisationen. Zur Soziologie des Holocaust. Berlin: Suhrkamp Verlag.

Ortmann, Günther (2010): Organisation und Moral. Die dunkle Seite. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.

Pohlmann, Markus; Markova, Hristina (2011): Soziologie der Organisation: Eine Einführung. Stuttgart: UTB.

Ergänzende Veranstaltungen:
Andrea Bechers Seminar zu Holocaust Education

Kommentar:
Gegenstand des Seminars ist die, wie Günter Ortmann sie nennt, „dunkle Seite“ der Moral in Organisation. Auf Basis soziologischer Theorien analysieren wir die Bedeutung von Moral in besonderen Organisationsformen wie z.B. kriminelle Organisationen (wie z.B. die Mafia) oder auch legale Organisationen, die das staatliche Gewaltmonopol gezielt missachten und unterwandern (z.B. durch Korruption, Steuerhinterziehung) sowie totale Institutionen (wie Klöster, Gefängnisse, Kriegsgefangenenlager, Konzentrationslager, Kliniken, Psychiatrie, Kasernen, Internate, Schiffe, Arbeitslager, Asylheime).
Anhand aktueller gesellschaftlicher Ereignisse diskutieren wir, was die organisationalen Bedingungen von Loyalität, Gehorsam und Verantwortung und Widerstand sind. Sind Whistleblower Hüter der Moral oder Verräter? Was hat der Sex-Skandal der Ergo-Versicherung (Prostituierte als Belohnung für gute Arbeit) mit Moral zu tun? Wie kann Korruption zu Normalität werden (z.B. im Baugewerbe, in der Automobilindustrie, bei der FIFA)? Und wie erklären sich aus organisationssoziologischer Perspektive die Misshandlungen von Flüchtlingen in deutschen Asylunterkünften durch Wachleute? Wir gehen auch zurück in die Geschichte und diskutieren Gehorsamkeit und Widerstand im Konzentrationslager. Theoretische Grundlagen liefern soziologische Theorien und Experimente wie z.B. das Milgram- oder auch das Stanford-Gefängnis-Experiment.
Wie entsteht Moral im Kontext sozialer Einheiten oder Organisationen und wie wird sie aufrechterhalten? Wie gehen die Organisationsmitglieder mit den normativen Handlungserwartungen der Organisation um? Wie bewältigen sie ein mögliches Auseinanderklaffen individueller oder gesellschaftlicher Moralvorstellungen mit organisatorischen Anforderungen? Wo verläuft die Grenze zwischen Loyalität und Gehorsam gegenüber der Organisation und der gesellschaftlichen Verantwortung und Widerstand des Individuums?
Im Anschluss an das Seminar besteht für die Studierenden, die eine Prüfungsleistung ablegen möchten, die Möglichkeit einer gemeinsamen Exkursion zum Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (Polen), das das größte deutsche Vernichtungslager während der Zeit des Nationalsozialismus war und in dem etwa 1,1 Millionen Menschen, darunter eine Million Juden, ermordet wurden. Die Vorbereitung auf die Exkursion und die Exkursion dienen als Leistungsnachweis für eine bestandene Prüfungsleistung. Besichtigen lässt sich das staatliche Museum Auschwitz-Birkenau, die Gedenkstätte des Holocaust und der jüdischer Friedhof auf dem Gelände der beiden ehemaligen Konzentrationslager I und II. http://auschwitz.org/en/.