L.052.21075 Bildungskonzepte

Lehrende: Jennifer Ch. Müller

Veranstaltungsart: Blockveranstaltung

Orga-Einheit: Erziehungswissenschaft

Anzeige im Stundenplan:

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 40

Voraussetzungen und Empfehlungen:
Interesse an Soziologie der Bildung und Erziehung.

Zielgruppe:
Lehramtsstudierende der Soziologie, Studiengänge mit Soziologie als Nebenfach.

Literatur:
Wird nachgereicht

Kommentar:
Vor ungefähr 200 Jahren erfolgte mit der Gründung der Volluniversität in Berlin eine Universitätsreform in zuvor nicht dagewesenem Ausmaß. Die entscheidenden Impulsgeber – Kant, Fichte, Schleiermacher und Humboldt – verstehen Wissenschaft als von wirtschaftlichen Zwängen freie Selbstbildung (vgl. Kant 1992; Humboldt in Müller 1990; Fichte 1919; Schleiermacher 1998). Parallel zur individuellen Bildung der Bürger habe Wissenschaft außerdem den Zweck, eine moralische Kultur der Nation, die für Geist und Sitte der Bürger von Nutzen sein soll, zu bilden (vgl. Assmann 1993: 25). „Neben Historisierung und Nationalisierung bedeutet Bildung auch, und das ist ihre dritte Dimension, Verinnerlichung von Kultur“ (Assmann 1993: 25).
Das Problem, welches sich aus der Übertragung dieses klassizistischen Bildungsbegriffs auf die Universität des 20. Jahrhunderts ergibt, besteht darin, dass die Verlagerung von Bildung in das Individuum hinein, nicht mit der Entwicklung eines politisch-demokratischen Bewusstseins zu vereinbaren ist (vgl. Horkheimer 1985: 415). Adorno und Horkheimer betonen nach Nationalsozialismus und Shoah in Deutschland, in ihren erziehungs- und bildungstheoretischen Texten und Vorträgen, den Widerstand gegen autoritäre Tendenzen als primäres Erziehungsziel. Die kritischen Theoretiker sehen in der klassizistischen Bildungstradition jedoch bereits das Verschwinden des Subjekts in Folge der gesellschaftlichen Entwicklung angelegt, das in Mündigkeit und zu Erfahrungen fähig, die Grundlage einer vernünftigen, demokratischen Gesellschaft ausmache (vgl. Horkheimer 1985: 415; Adorno 1982: 107).
Das Wesen der Universität nach klassizistischem und auch nach kritisch theoretischem Ansatz steht aktuell jedoch zur Disposition. Mit dem Beginn des Bologna-Prozesses im Jahr 1999 (vgl. Europäische Kommission 1995; Sorbonne-Declaration 1998; Bologna-Deklaration 1999) wird nun ein anderer Entwurf der Hochschule politisch proklamiert und real praktiziert – die „entrepreneurial university“ (Clark 1998). An diesem ‚Wendepunkt‘ (Walter 2006) der Hochschulentwicklung geht es vor allem um die Überwindung nationaler Grenzen zur Schaffung einer „open European area for higher learning“ (Sorbonne-Declaration 1998: 1) – neben dem „Europa des Euro, der Banken und der Ökonomie“ (Sorbonne-Declaration 1998: 1) soll auch ein „Europa des Wissens“ entstehen. In den zentralen Dokumenten zum Bologna-Prozess taucht der Begriff der Bildung allerdings kaum auf und die Vorstellung einer allgemeinen Bildung der Individuen spielt im Gegensatz zur „employability“ und zur „internationalen Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems“ (Bologna-Deklaration 1999: 3) nur eine untergeordnete Rolle (vgl. Sorbonne-Declaration 1998; Bologna-Deklaration 1999; Prag-Kommunikee 2001; Göteborg-Declaration 2001; Berlin-Kommunikee 2003; Bergen-Communiqué 2005; London-Kommunikee 2007; Leuven-Kommunikee 2009; Budapest-Wien-Erklärung 2010; Bucharest-Communiqué 2012).

Wichtige Hinweise:
Indem am Ende jeder Seminarsitzung von den Teilnehmenden ein One-Minute Essay [i have learned | i am confused about | i want to know more about] verfasst wird, kann sichergestellt werden, dass offene Fragen zum Thema zeitnah beantwortet werden.
Das Seminar wird mit der didaktischen Methode des Jigsaw Puzzles durchgeführt und die Studierenden erarbeiten somit in Kleingruppen die Inhalte der bildungstheoretischen Texte und lernen gleichzeitig, die jeweiligen Konzepte kritisch zu hinterfragen und auf die Bildungs- und Lebensbereiche der Schule und Hochschule zu beziehen.